Donnerstag, 25. Juli 2019
Mit der
Information unter dem Titel „Grünbeschichtungen für bessere
Sichtbarkeit der Radwege in Berlin“ (1) berichtet die InfraVelo am
13.07.2019 über einen Ansatz, mit dem Berlins Radwege sicherer
werden sollen.
Noch ist die Senatsverwaltung für Verkehr mit deren
Gesellschaft InfraVelo der Überzeugung das farbliche Beschichtungen
bestehender Radwege dazu beitragen Radwege sicherer zu machen. Dabei
kommt es weniger auf die Farbe an, sondern auf die Bauart: Werden
Radstreifen baulich und nicht nur farblich vom motorisierten Verkehr
getrennt, erhöht das nicht nur die Wiedererkennung, sondern trägt
dauerhaft für die Sicherheit im Straßenverkehr bei. Bei der
Sicherheit im Verkehr geht es weniger um die Wiedererkennung welche
Infrastruktur für welchen Verkehr vorgesehen ist, sondern um
Verkehre, die in den jeweiligen Infrastrukturen erkennbar sicher sind.
Diese Sicherheit wird am besten und zugleich dauerhaft durch bauliche
Trennung erreicht.
Warum bauliche Trennung anstatt farblicher
Markierung?
Damit Radfahren deutlich attraktiver wird, sind gut
ausgebaute, durchgängige und nach weiteren Qualitätskriterien
standardisierte Radwege erforderlich. Wenn diese Radwege dann auch
baulich von Fußgängern und Autofahrenden getrennt verlaufen, sind
Radfahrerinnen und Radfahrer dort auch sicher. Das individuelle
Gefühl der Sicherheit kann durch objektive Sicherheit baulich
getrennter und durch schmale Pufferzonen separierte Fahrbahnen
erreicht werden. Mit einer baulichen Trennung wird zugleich die
optische Trennung erzielt. Wenn eine bauliche Trennung vorhanden ist,
trägt dies grundsätzlich dazu bei, dass Autofahrerinnen und
Autofahrerinnen, sowie Lieferantinnen und Lieferanten, die für
Sie vorgesehene Fahrbahn deutlich besser erkennen können, sondern
auch keinen Anspruch auf den Radfahrweg gelten machen. Trefflich
realisierte baulich getrennte Radwege führen nicht zum Konflikt in
der Nutzung, da dortiges aufeinandertreffen von Auto und Fahrrad
technisch vermieden wird. Im Gegensatz zu den mit entsprechend Linien
markierten Schutzstreifen und Radstreifen, die gegebenenfalls farblich
in der Verkehrsfläche hervorgehoben sind, werden baulich getrennte
Radwege nicht als Park- oder Halteflächen von Verkehrsteilnehmern des
motorisierten Individualverkehrs (MIV) angesehen.
Signalwirkung oder Abschreckung
Es gibt die Idee nach der durch farbliche Markierung der
Verkehrsfläche diese für bestimmte Verkehrsteilnehmerinnen und
Verkehrsteilnehmer zu gestalten. Die farblichen Gestaltung soll als
Signal für diese Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer
wirken. Das von der Farbfläche ausgehende Signal soll wahrgenommen
und akzeptieren werden. Damit soll die Nutzung für eine bestimmte
Gruppe der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer festlegt und
reserviert werden. Die farbliche Kennzeichnung kann jedoch nicht so
viel Wirkung entfalten, wie eine tatsächlich Abschreckung durch
bauliche Trenn-Elemente. Die Farbe selbst stellt kein Hindernis dar
und sich nicht als Barriere entfalten. Farbe kann aktiv überfahren
und leicht überrollt werden. Weniger Signalwirkung, dafür praktische
Abschreckung geht von baulich getrennten Radwegen aus:
Ein Bordstein, eine Erhebung, ein zwischen den Fahrbahnen
liegender Puffer- oder Grünstreifen stellt eine optische, wie
technisch überdeutliche Barriere dar. Die Schutzwirkung für
Radfahrende ist auch gegenüber einer zweidimensionalen farblichen
Markierung stärker.
Farbe als flächendeckender
Standard
Wenn alle Oberflächen der Radwege in einer Region einheitlich
farblich ausgeführt werden, damit sich diese Oberflächen von der
Farbe der üblichen Fahrbahndecke des Straßenbelag für den
Autoverkehr abheben, kann sich auch die beabsichtigte und gewünschte
Signalwirkung verändern. Eine überall einheitlich verwendete Farbe
verringert die lokale und örtliche Signalwirkung durch die
Omnipräsenz, und damit der „Dauer“, des Signals. Die Verwendung
von flächiger Farbe auf allen Radwegen in entsprechenden
Verkehrsinfrastrukturen ist dann mehr eine normierte Widmung, als ein
festgelegtes Signal. Gegenüber den Tatbeständen der Missachtung der
Regeln für die Ausschließlichkeit der Nutzung bestimmter Flächen
für den Radverkehr, trotz Radweg-Beschilderungen und
Radweg-Markierungen, kann Farbe eine lokal-situative Warnwirkung
entfalten. Die Beschilderung von Gefahrenbereichen kann mit einer
farblichen Kennzeichnung ergänzt werden. Doch zeigen Beinaheunfälle
und Unfälle an Radwegen mit Beschilderung, klassischer weißer
Markierung und farblicher Warnzonen, das diese nachträglichen
gestalterischen Elemente nicht ausreichend. Die Bemühungen für
ausreichenden oder erforderlichen Schutz für Radfahrende bedarf mehr
Exklusivität und Attraktivität von Radwegen. Dies kann durch
bauliche Trennung erzielt werden. Nicht die flächendeckende
Farbgestaltung, sondern der flächendeckende bauliche Trennung ist
eine zeitgemäße Lösung für die Förderung des Radverkehrs in
sicher gebauten, gegenüber Sicherheit signalisierenden, aber nur
gemalten Infrastrukturen.
Gute Fahrbahn mit qualitätsvoller
Fahrbahndecke
Ein Farbauftrag in der Fläche auf Radwegen schafft
tatsächlich ein Mindestmaß an Verbesserung, wenn es um die
Beschaffenheit mangelhaft oder schadhafter Radweg geht. Eine
Farbbeschichtung, auch eine Grünbeschichtung, stellt aber keine
Alternative für die Sanierung oder straßenbauliche Instandhaltung
von schlechten Fahrbahn von Radwegen dar. Ein schadhafter Radwegbelag,
dessen Fahrbahndecke richtiggehend erneuert wird, ist auch ohne
flächige Einfärbung nach der Instandsetzung ein besserer Radweg.
Wenn vorhandene Mängel an der Oberfläche bestehender Radwege
verändert werden, sollte die bauliche Ertüchtigung immer Vorrang vor
einem möglichen Farbauftrag haben. Grundsätzlich sollten Radwege mit
dem bekannten weißen Fahrradsymbol gekennzeichnet werden, damit die
vom Fußgänger Individualverkehr (FIV) und motorisierten
Individualverkehr (MIV) baulich und optisch absetzten Radwege von
anderen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern beachtet
werden.
Aufeinander acht geben ist besser als auf Farbe
reagieren
Beim vorausschauenden und rücksichtsvollen Fahren unter
Beachtung der Regeln im Straßenverkehr kann keine Farbe der Welt
wirklich einen helfenden, aktiven Beitrag leisten. Um bestimmte
Fahrzeuge aus einer bestimmten Infrastruktur des Verkehrs
herauszuhalten oder hinein einzuladen ist die entsprechende
Beschilderung der Standard. Von einer bemalten Verkehrsfläche lassen
sich die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer nur schwerlich
vor deren Benutzung abhalten oder fernhalten.
Auch wenn das Verkehrsgrün (RAL 6024) an Kreuzungen und
Einmündungen und sonstigen Konfliktbereichen eingesetzt wird, oder
auf sehr stark frequentierten Grundstückszufahrten das Verkehrsrot
(RAL 3020) verwendet wird, ist in diesen Situation des Verkehrs
aktiv gegenseitige Rücksichtnahme und vorausschauenden Fahren
die zugleich juristische, normative und soziale Voraussetzung für
Sicherheit. Über all dort, wo die sich daraus ergebende Sicherheit
durch nicht über ausreichende Fehlertoleranz bei der Benutzung von
Straßen und Wegen wegen der Bauart vorhanden ist, kann mit Farbe auf
die vorhandenen Gefahren hingewiesen werden.
Auch ein kontrastreiches Verkehrsgrün oder das Verkehrsrot können
nicht die Wirkung eines grünen grasbewachsenen Pufferstreifens, einer
niedrigen grünen Hecke oder eines aus recycelten Grünglases
hergestellten Randsteins erreichen. Eine bauliche, linienförmige
Barriere, sei es eine Stufe, Kante oder Mikro-Böschung, erhöht
dagegen die Aufmerksamkeit für die sogenannte „Fahrbahntreue“
anderer Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer immens. Die
bauliche Trennungen ohne Farbe stellt daher ein technisches Prinzip
dar, mit dem Fehlertoleranz erhöht und damit Sicherheit für
Radfahrende vor individueller Rücksichtslosigkeit oder fehlender
Vorausschau von anderen Verkehrseilnehmenden erhöht werden
kann.
Kaltplastik & Epoxidharz oder Stufenstein &
Pufferplatz
Die Materialien für die rein farb-flächige Gestaltung von
Radwegen, dies sind Kaltplastik und Epoxidharz, unterscheiden sich
hinsichtlich ihrer Materialeigenschaften, Beschaffungskosten und
Belastbarkeit. Die Materialien der Bordsteine für die Abtrennung von
Bürgersteigen für Fußgänger von einer Straße unterscheiden sich
nicht von den Materialien der Radwegsteine für bauliche
getrennte Radwege für Radfahrende. Die straßen-technische
Ausführung der Verkehrsflächentrennung mittels Bordstein kann für
Straße-zu-Radweg oder Radweg-zu-Fußweg grundsätzliche gleich oder
gleichartig ausgeführt werden. Dagegen sind zusätzliche
Beschichtungen auf den Asphaltflächen der Radwege, beispielsweise mit
Epoxidharz „sehr aufwendig und zeitintensiv“ (InfraVelo,
s.o.).
Für die Wahl der verkehrstechnische Bauart von Sicherheit
sollte das Beschichtungsmaterial für die jeweiligen Radwege
sein entscheidend sein. Der Ertüchtigung von Radwegen durch bauliche
Trennung für mehr Sicherheit vor dem MIV und FIV sollte der Vorrang
eingeräumt werden. Ein Farbauftrag kann durch die ingenieurtechnische
Gestaltungsprinzip der Trennung von Fuß- und Autoverkehr leicht
vermieden werden.
Testphase der grünen Radwege
vorgesehen
Wie werden die bunten, flächendeckend grün, beziehungsweise
in den Knotenpunktbereichen rot, markierten Schutz- und
Radfahrstreifen im Land Berlin getestet? Das verwendete Material soll
über ein Zeitdauer von fünf Jahren wissenschaftlich untersucht
werden: „Evaluiert werden unter anderem Verhaltensänderungen der
Verkehrsteilnehmenden, die Ergebnisse der Befragungen von
Radfahrer*innen sowie Messungen zur Griffigkeit oder Beständigkeit
des verwendeten Materials.“ Kann darüber sichergestellt werden,
dass die Maßnahme an sich sowie das eingesetzte Material ihren Zweck
erfüllen? Für den „dauerhaften Einsatz“ eignet sich Farbe
bestimmt. Aber ob Farbe alleine auf Dauer mehr Sicherheit schafft, ist
offen.
Ab 2018 wird es grüner ...
Laut Information von InfraVelo wurden im Jahr 2018 die
Arbeiten an fünf Radfahrstreifen abgeschlossen wurden. Damit wurden
insgesamt rund acht Kilometer durch InfraVelo farblich markiert. Im
Jahr 2019 sollen weitere 11 Radfahrstreifen in einer voraussichtlichen
Länge von circa 15 km Länge folgen.
Das ergibt, laut einer einfachen Prognose aus dem SAI-Lab
folgendes Bild: Wird die Länge der Radfahrwege in Berlin, in der
Summe von 1249,2 km (2), zusammengesetzt aus baulichen Radwegen mit
963,4 km und Radfahrstreifen in einer Länge von 285,8 km,
herangezogen und die Reihe der jährliche Steigerung der farblichen
Markierung von beginnend bei 8, fortgeführt mit 15, weiter
fortgesetzt, dann sind im Jahr 2035 vielleicht tatsächlich alle
Berliner Radwege grün.